Im Familienrecht spielt die Bewertung von Unternehmen und Unternehmensanteilen vor allem beim Zugewinnausgleich eine Rolle. Dieser wird bei einer Ehescheidung dann durchgeführt, wenn die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben und sich nicht etwa durch Ehevertrag für die Gütertrennung oder die Gütergemeinschaft entschieden haben. Die Zugewinngemeinschaft kann aber auch bei bestehender Ehe aufgehoben werden, so dass es auch während der Ehezeit zu einem Zugewinnausgleich kommen kann. Schließlich wird in bestimmten Fällen auch beim Tod eines Ehegatten ein Zugewinnausgleich zugunsten des überlebenden Ehegatten durchgeführt.
Unabhängig vom Anlass werden beim Zugewinnausgleich das Anfangsvermögen und das Endvermögen beider Ehepartner verglichen. Wer den höheren Vermögenszuwachs (Zugewinn) erzielt hat, ist dem anderen zum Ausgleich verpflichtet.
Anders als bei den meisten anderen Bewertungsanlässen gibt es also beim Zugewinnausgleich mehrere Bewertungsstichtage. Der Stichtag für das Anfangsvermögen ist der Tag der Eheschließung. Für die Ermittlung des Endvermögens ist bei der Scheidung der Tag der Zustellung des Scheidungsantrags maßgeblich, beim Tod eines Ehegatten der Todestag. Bei bestehender Ehe können die Ehegatten den Stichtag aber auch frei vereinbaren.
Erhält einer der Ehegatten während der Ehe ein Unternehmen oder Anteile daran als Schenkung, werden diese dem Anfangsvermögen zugerechnet.
Insbesondere der Stichtag für das Anfangsvermögen kann bei der Auseinandersetzung um den Zugewinnausgleich Jahrzehnte zurückliegen. Dies darf nicht dazu führen, die zwischenzeitlich bekannte Unternehmensentwicklung nach diesem Stichtag mit der zum Stichtag erwarteten Entwicklung gleichzusetzen. Der Bewerter muss sich hier wie in anderen Fällen auch bemühen, nur die zum Bewertungsstichtag absehbare Unternehmensentwicklung zugrunde zu legen. Dies ist aber oft schwierig, wenn stichtagsnahe Daten nur beschränkt zur Verfügung stehen. In diesen Fällen ist es gerechtfertigt, auch Unternehmenszahlen (wie Jahresabschlüsse) und Daten zu Branchenentwicklungen aus der Zeit nach dem Stichtag als Indizien heranzuziehen.
Eine zweite Besonderheit der Unternehmensbewertung für Zwecke des Zugewinnausgleichs stellt die durch die Rechtsprechung des BGH gegebene Notwendigkeit dar, eine Veräußerung des Unternehmens oder Unternehmensanteils zum Stichtag zu unterstellen. Vom ermittelten Wert ist deshalb die Steuerlast abzuziehen, die die jeweilige Partei bei einer Veräußerung zum Stichtag zu tragen gehabt hätte. Dies ist die „latente Steuerlast“ im Sinne des Familienrechts.
Die weitaus meisten Unternehmen, die im Rahmen des Zugewinnausgleichs bewertet werden, sind kleinste, kleine und mittlere Unternehmen. Bei ihnen ist die Ertragskraft oft personenbezogen, also an die unternehmerische Tätigkeit des Inhabers, der Inhaberin oder einer kleinen Gruppe von Personen gebunden. Hier darf der Bewerter anders als bei der Bewertung großer, börsennotierter Unternehmen nicht einfach unterstellen, dass die vorhandene Ertragskraft bei einer fiktiven Veräußerung vollständig auf die neuen Eigentümer übertragen wird. Stellt sich heraus, dass die Ertragskraft von der Mitwirkung der bisherigen Eigentümer abhängt, ist sie nur teilweise oder zeitlich begrenzt übertragbar. Dies kann bei einer Ertragsbewertung z.B. durch ein „Abschmelzen“ der aus Sicht des Stichtags zukünftigen Erträge berücksichtigt werden.